Zitate von Theodor W. Adorno(11.09.1903 Frankfurt/M. - 06.08.1969 Visp/Schweiz) Daß aber die Arbeitsteilung nicht durch ihre Verleugnung, daß die
Kälte der rationalisierten Welt nicht durch empfohlene Irrationalität
sich bannen läßt, ist eine gesellschaftliche Wahrheit, die durch den
Faschismus aufs nachdrücklichste demonstriert worden ist. Durch ein
Mehr, nicht durch ein Weniger an Vernunft lassen die Wunden sich heilen,
welche das Werkzeug Vernunft im unvernünftigen Ganzen der Menschheit
schlägt. . Weil die "Wahrheit" als Realitätsdruck nicht aushaltbar wäre, hilft die Kulturindustrie, das Fernsehen: Der Druck, unter dem die Menschen leben, ist derart angewachsen, daß sie ihn nicht ertrügen, wenn ihnen nicht die prekären Leistungen der Anpassung, die sie einmal vollbracht haben, immer aufs neue vorgemacht und in ihnen selber wiederholt würden.Theodor W. Adorno: Prolog zum Fernsehen (1963) . Die communis opinio substituiert die Wahrheit, faktisch, schließlich indirekt auch in manchen positivistischen Erkenntnistheorien. Über das, was wahr und was bloße Meinung, nämlich Zufall und Willkür sein soll, entscheidet nicht, wie die Ideologie es will, die Evidenz sondern die gesellschaftliche Macht, die das als bloße Willkür denunziert, was mit ihrer eigenen Willkür nicht zusammenstimmt. Die Grenze zwischen der gesunden und der pathogenen Meinung wird in praxi von der geltenden Autorität gezogen, nicht von sachlicher Einsicht.Theodor W. Adorno: Meinung, Wahn, Gesellschaft (1963) Die fast unlösbare Aufgabe besteht darin, weder von der Macht
der anderen, noch von der eigenen Ohnmacht sich dumm machen zu lassen.
Licht fällt auf die restaurativen Philosphien von heutzutage vom
kitschigen Exotismus kunstgewerblicher Weltanschauungen her, wie dem
erstaunlich konsumfähigen Zen-Buddhismus. Gleich diesem simulieren
jene eine Stellung des Gedankens, welche einzunehmen die in den Subjekten
aufgespeicherte Geschichte unmöglich macht. Einschränkung
des Geistes auf das seinem geschichtlichen Erfahrungsstand Offene und
Erreichbare ist ein Element von Freiheit; das begrifflos Schweifende
verkörpert deren Gegenteil. Doktrinen, die dem Subjekt unbekümmert
in den Kosmos entlaufen, sind samt der Seinsphilosophie mit der verhärteten
Verfassung der Welt, und den Erfolgschancen in ihr, leichter vereinbar
als das kleinste Stück Selbstbesinnung des Subjekts auf sich und
seine reale Gefangenschaft. Freuds 'Unbehangen in der Kultur' hat einen Gehalt, der ihm schwerlich
gegenwärtig war; nicht allein in der Psyche der Vergesellschafteten
akkumuliert sich der Aggressionstrieb bis zum offenen destruktiven Drang,
sondern die totale Vergesellschaftung brütet objektiv ihr Widerspiel
aus, ohne daß bis heute zu sagen wäre, ob es die Katastrophe
ist oder die Befreiung Alles, was heutzutage Kommunikation heißt, ausnahmslos, ist nur
der Lärm, der die Stummheit der Gebannten übertönt. Die
einzelmenschlichen Spontaneitäten, mittlerweile auch weithin die
vermeintlich oppositionellen, sind zur Pseudoaktivität, potentiell
zum Schwachsinn verurteilt. Die Techniken der Hirnwäsche und das
ihnen Artverwandte praktizieren von außen eine immanent-anthropologische
Tendenz, die freilich ihrerseits von außen motiviert wird. Wahrscheinlich wäre für jeden Bürger der falschen Welt
eine richtige unerträglich, er wäre zu beschädigt für
sie. Das sollte dem Bewußtsein des Intellektuellen, der nicht
mit dem Weltgeist sympathisiert, inmitten seines Widerstands ein Quäntchen
Toleranz beimischen. Wer in Differenz und Kritik nicht sich beirren
läßt, darf doch nicht sich ins Recht setzen. Der als Zuschauer an Schlachten, Umstürzen und Katastrophen sich
berauscht, schweigt darüber, ob nicht die Befreiung, der er bürgerlich
das Wort redet, von jener Kategorie selbst sich befreien müßte.
Adorno über Valéry (In: Valérys Abweichungen): . Adorno über Huxley:Aldous Huxley und die Utopie (1951) Die europäische Katastrophe, die ihren langen Schatten vorauswarf, hat zum ersten Male in Amerika den Typus der intellektuellen Emigration hervorgebracht. (S.112) Dem Intellektuellen von drüben wird unmißverständlich
bedeutet, daß er sich als autonomes Wesen auszumerzen habe, wenn
er etwas erreichen - unter die Angestellten des zum Supertrust zusammengesschlossenen
Lebens aufgenommen werden will. ... Das Jetzt und Hier spontaner Erfahrung, längst angefressen, wird
entmächtigt: die Menschen sind nicht mehr bloß Abnehmer der
von den Konzernen gelieferten Serienprodukte, sondern scheinen selber
von deren Allherrschaft hervorgebracht und der Individuation verlustig.
... Bei Huxley meint conditioning vollkommene Präformation des Menschen durch gesellschaftlichen Eingriff, von künstlicher Zeugung und technifizierter Bewußtseins- und Unbewußtseinslenkung im frühesten Stadium bis zum death conditioning, einem Training, das Kindern das Grauen vor dem Tod austreibt...(S.116) Das verewigte Klassenverhältnis wird in die Biologie verlegt, indem die Zuchtdirektoren über die Zugehörigkeit zu den mit griechischen Buchstaben registrierten Kasten schon bei den Embryos entscheiden. (S.117) Noch das Bewußtsein derer, die sich etwas darauf zugute tun, individuiert zu sein, ist im Bann der Standardisierung kraft ihrer eigenen Identifikation mit der "in-group". Automatisch geben sie unablässig Urteile von sich, zu denen sie conditioned sind... Nichtverstehen wird zur Tugend. (S.118) Huxley demonstriert das am Sprechen. Die Idiotie des obligatorischen small talk, die Konversation als Gewäsch, wird mit Diskretion ins Äußerste verfolgt. Längst handelt es sich nicht mehr bloß um jene Spielregel, die das Gespsräch als beschränkte Fachsimpelei oder unverschämte Zumutung abwehrt. Sondern der Verfall des Sprechens liegt in der objektiven Tendenz. Die virtuelle Verwandlung der Welt in Waren, die Vorentschiedenheit dessen, was gedacht und getan wird, durch die gesellschaftliche Maschinerie macht Sprechen illusorisch: es verkommt, unterm Fluch des Immergleichen, zu einer Folge analytischer Urteile. ... Prinzipiell betrifft die Unterhaltung nichts anderes mehr, als was im Katalog der allgegenwärtigen Industrie ohnehin verzeichnet steht, Informationen über Angebotenes, sachlich überflüssig, leere Hülse des Dialogs, dessen Idee es war zu finden, was man nicht schon wußte. (S.199) Die wissenschaftlich hergestellten, von allem Mythos gesäuberten Subjekt-Objekte des realisierten Welt-Ungeistes sind infantil. (S.120) Huxley hat den Widerspruch visiert, daß in einer Gesellschaft, in der die sexuellen Tabus ihre innere Kraft verloren und entweder der Erlaubnis des Unerlaubten weichen oder durch hohlen Zwang fixiert werden, Lust selber verfällt zum armseligen fun und zur Gelegenheit für die zarzißtische Befriedigung darüber, daß man diese oder jenen "gehabt" habe. ... Um keinen Preis darf man ergriffen sein. (S.121) Seine Darstellung der organisierten Orgiastik jedoch hat einen Unterton, der Zweifel weckt an der satirischen These. Indem diese der Unbürgerlichkeit das Bürgerliche attestiert, verfängt sie selber sich in der Bürgerlichkeit. Huxley entsetzt sich über die Nüchternen, aber ist im Innern dem Rausch feind und keineswegs bloß dem narkotischen, in dessen Verdammung er früher mit der herrschenden Ansicht übereinstimmte. ... Seine Empörung über das falsche Glück opfert mit diesem auch die Idee des wahren. Längst ehe er zu buddhistischen Sympathien sich bekannte, verriet seine Ironie, zumal in der Selbstdenunziation des Intellektuellen, etwas vom wütenden Büßer, einem Sektierertum, wogegen sein Niveau sonst gefeit ist. (S.122) Die abgründige dialektische Fragestellung, ob am Ende nur so viel Glück möglich sei, wie Verbote zu brechen sind, wird von der Gesinnung des Romans ins Affirmative verdorben... (S.123) Deren (Brave New World) oberster Moralgrundsatz soll sein, daß
jeder jedem gehört, die absolute Fungibilität, die den Menschen
als Einzelwesen auslöscht, sein letztes An-sich als Mythologie
liquidiert und ihn als bloßes Für-anderes und damit, im Sinne
Huxleys, als nichtig bestimmt. ... Huxley aber konstruiert Humanität und Verdinglichung in starrem Gegensatz... Er verkennt das humane Versprechen der Zivilisation, weil er vergißt, daß Humanität wie den Gegensatz zur Verdinglichung auch diese sebler in sich einschloß... Der Ausbruch des "Wilden" gegen die Geliebte ist denn auch nicht sowohl, wie vielleicht intendiert, der Protest reiner Menschennatur gegen die kalte Frechheit der Mode, sondern die poetische Gerechtigkeit gestaltet ihn als Aggression eines Neurotikers... (S.126) Indem Huxley ihn ins Unrecht setzt, distanziert er sich von der Gesellschaftskritik. (S.127) In der Kritik am falschen Bedürfnis bewährt Huxley die Idee
von der Objektivität des Glücks. ... Die krude Alternative von objektivem Sinn und subjektivem Glück, die These der Ausschließlichkeit, ist der philosophische Grund für das reaktionäre Fazit des Romans. (S.135) Der Kern der Kontroverse ist die bündige Disjunktion: daß
man nicht das eine ohne das andere haben kann, nicht die Technik ohne
death conditioning, nicht den Fortschritt ohne die angedrehte infantile
Regression. An der Disjunktion selber aber ist die Unbestechlichkeit
des Gedankens vom ideologischen Gewissenszwang abzuheben. Nur der Konformismus
könnte mit dem objektiven Wahnsinn heute als bloßem Unfall
der Entwicklung sich abfinden. ... Die Konstruktion, die den totalitären Weltstaat denunziert und
den Individualismus, der es dahin brachte, retrospektiv verklärt,
ist selber totalitär. Der gedanke, der keinen Ausweg läßt,
impliziert bereits die Liquidation alles nicht Aufgehenden, vor der
Huxley mit Grund schaudert. Die praktische Konsequenz des bürgerlichen
"Man kann nichts machen", wie es als Echo des Romans nachhallt, ist
genau das perfide "Du mußt dich fügen" in totalitären
Brave New Worlds. Die Erkenntnis von der Nichtigkeit des Individuums, gesellschaftlich wahr, wird auf das privat überforderte Individuum abgewälzt. ... Das fabula docet des Romans ist nihilistischer, als es der Humanität recht sein kann, die er proklamiert. (S.140) Voll fiktiver Sorge um das Unheil, das die verwirklichte Utopie der Menschheit antun könnte, schiebt er das weit dringlichere und realere Unheil von sich, das die Utopie hintertreibt. ... Der Roman überträgt die Schuld der Gegenwart gleichsam auf die Ungeborenen. (S.142) Die Fiktion der Zukunft verbeugt sich vor der Allmacht des Gegenwärtigen.
... Erstveröffentlicht: NEUE RUNDSCHAU 1951; zitiert nach der Ausgabe: Theodor W. Adorno: Prismen, Kulturkritik und Gesellschaft. Frankfurt/M., Suhrkamp 1969 . Nich nur über Adorno, sondern die gesamte sogenannte Frankfurter Schule behandelt die "Critical Theory Website": Illuminations: The Critical Theory Website is a WWW research resource for those interested in the Critical Theory project. Firmly based in Frankfurt School thought, this site maintains a collection of articles, excerpts, and chapters from many contemporary writers of and about Critical Theory. Additional submissions from graduate students and others are also available, as are links to other websites and related sources. Französischsprachige Texte und Verweise zu Autoren der "Frankfurter
Schule": * Adorno, Sommer 1956 - Eine Erfahrung in Darmstadt * Biografische Versuche im Jahr des hundertsten Geburtstags * Adorno als Kapitalismuskritiker; eine Konferenz in Frankfurt * Zerrbilder - Adorno als Musikschriftsteller * Innehalten und Abschied * Vollendetes Verhängnis. Adornos Amerika. * Philosophiekunst - Adornos Eigenart * Arendt und Adorno? * Das positive Zentrum der negativen Philosophie Adornos * Gefahrenmoment für die Letzten der Kritischen Theorie bei Adornos Beerdigung * Horst-Udo Schneyder sprach bei einem Wiesengrundspaziergang auf Sylt mit keinem geringeren als Theodor Adorno * Ist die Kritische Theorie tot, wie Peter Sloterdijk behauptet hat? Oder sollte man Adorno nicht endlich mal wieder lesen? * Eine Welt des Unerlösten - Zum 100. Geburtstag von Theodor W. Adorno * Thesen gegen den Okkultismus * Elemente des Antisemitismus - Grenzen der Aufklärung Geburtstagsaktivitäten 2003: Am 11. September 2003 ist es soweit: der 100. Geburtstag Adornos kann gefeiert werden. Doch für viele beginnt das Adorno-Jahr bereits mit dem 99. Geburtstag. Etwa für Matthias Zimmer, bisheriger Referent der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth. Zimmer koordiniert die vielen Aktivitäten, die in Frankfurt geplant sind. Andere wiederum beschäftigen sich schon viel länger mit Adorno, um mit Publikationen rechtzeitig zur Stelle zu sein. Tim B. Müller hat sich umgehört, was zu erwarten ist und in der Süddeutschen Zeitung vorn 10. September eine Art "Reisebericht" darüber veröffentlicht. An einer umfassenden, quasi "offiziellen" Adorno-Biographie, die, mehrere hundert Seiten stark, bei Suhrkamp erscheinen soll, arbeitet der aus Frankfurt stammende Oldenburger Soziologieprofessor Stefan Müller-Doohm seit sechs Jahren. Mit drei Mitarbeitern, finanziert von der DFG, hat er alle Archive durchforscht und zusammengetragen, was sich über Adorno auffinden lässt. Erstellt wurde ein synoptischer Katalog über jeden Tag im Leben des Meisters. In der Biographie sollen jeweils Leben, Werk und geschichtlicher Kontext erzähIt und als roter Faden verwebt werden. Dabei halt sich Müller-Doohm an Benjamin: Er will nichts sagen, nur zeigen. Bescheidener ist Wolfram Schütte, ehemaliger Feuilleton-Chef der Frankfurter Rundschau, der noch bei Adorno studiert hat: Er sammelt Zeugnisse der Beziehungen zwischen Adorno und Frankfurt. Sein buntes Mosaik von Bildern und Texten wird ebenfalls bei Suhrkamp erscheinen. Bei Fischer wird ein Werk von Detlev Claussen (er hat ebenfalls bei Adorno studiert und ist Professor für Soziologie in Hannover) erscheinen, das der Frage nachgeht, warum Adorno der deutsche Intellektuelle des 20. Jahrhunderts war. Seine Antwort: Adorno hat den Zusammenbruch der bürgerlichen Gesellschaft diagnostiziert und dabei daran erinnert, dass das emanzipatorische Potential der bürgerlichen Gesellschaft das Beste war, das es bisher gab. Auch der FAZ-Redaktor Lorenz Jäger schreibt an einem Adorno-Buch, das bei DVA erscheinen soll und das, so Müller (sic), von drei Leitmotiven durchzogen ist: den Sternen der Geburt, des Todes und der Lehre. In Frankfurt beginnt das Adorno-Jahr am 13. September mit
der Verleihung des Adorno-Preises. Vom 25.-28. September folgt
eine Internationale Konferenz im Institut für Sozialforschung
(www.ifs.uni-frankfurt.de),
vom 27.-30. September eine zweite im Musikwissenschaftlichen
Institut. Nach verschiedenen Literaturforen findet am 14. November
die Eröffnung der Ausstellung "Adorno: Leben und Werk"
im Karmeliterkloster statt. Adorno-Tagungen sind außerdern in
Paris, Mailand, Budapest und Tel Aviv geplant. Aber was Adorno betrifft,
sind die Zürcher am schnellsten: das erste Adorno-Symposium findet
in Zürich statt, und die Ausstellung wird noch vor Frankfurt
in Zürich gezeigt. Das hat übrigens Tradition: schon einmal
fand in Zürich zu einem Adorno-Jubiläum, das man in Frankfurt
(geflissentlich?) übersah, eine Tagung mit u. a. Peter Bulthaup
und Johannes Rohbeck als Referenten statt.
Sollte das schon alles gewesen sein? Seit Wochen, so wunderte sich Axel Honneth, ergeht sich die Öffentlichkeit in Ruhmreden auf den Philosophen Theodor W. Adorno. Das mediale Aufgebot ist enorm, und nach Jahrzehnten des Ressentiments widerfährt ihm Gerechtigkeit. Und doch, die Ehrenrettung, so beklagt der Direktor des Instituts für Sozialforschung und Organisator der Frankfurter Adorno-Konferenz, hat etwas Obszönes. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, sei sie völlig unverbindlich. Einem Nachrichtenmagazin fielen zu Adorno nur Bettgeschichten ein; eine Frankfurter Zeitung erklärte ihn zum kollektiven Über-Ich, aber im Rest des Blattes sei es wie immer: Sympathie für Berlusconi, Fürsorglichkeit für potenzielle Wirtschaftskriminelle und Verachtung für den Sozialstaat. Tatsächlich, behauptet Honneth, ist Adorno als Gesellschaftstheoretiker aktuell und nicht als Kulturkritiker, der uns ein paar Sinnsprüche liefert, mit denen wir unser Unbehagen am Neoliberalismus tapezieren. Adorno öffne uns die Augen dafür, dass der Kapitalismus und die Vermarktlichung der Gesellschaft eine höchst einseitige Lebensform darstellt. Dafür gebe es sogar wissenschaftlichen Rückhalt. Wer die Ergebnisse von Moralphilosophie und Sozialwissenschaft nur eine winzige Drehung weitertreibe, der könne überraschende Übereinstimmungen mit Adorno entdecken. Aber welche? Als zusammenfassende Kommentierung des Adornojahres kann die Anmerkung von Alex Demirovic gelesen werden: Die Feiern zum 100. Geburtstag, die Sonderbriefmarke, das Denkmal
in Frankfurt am Main, die Biographien zum Jubiläum (etwa von
Stefan Müller-Doohm: Adorno. Eine Biografie; Lorenz Jäger:
Adorno. Eine politische Biografie), die Ausstellungen in Frankfurt
am Main und die dazugehörenden Kongresse in Zürich (16.-18.Sept.)und
in Frankfurt (25.-27. Sept.) lassen eine gewisse Arnbivalenz gegenüber
Adorno erkennen. Adorno wird ins Geniale gehoben, Mythen und Idyllen
werden um seine Person gewoben. Der Zugang seiner Theorie wird personalisiert.
So droht, etwas Wichtiges und Entscheidendes verloren zu gehen: sein
Verständnis von Theorie als Moment des objektiven Geistes, also
als Denkform, in der sich die Menschen intellektuell und praktisch
bewegen. Es war dieses Verständnis, dass (!) seine Bemühungen
darum bestimmte, durch theoretische Praxis den objektiven Geist der
spätkapitalistischen Gesellschaft zu verändern. Seine Person,
seine subjektiven Erfahrungen waren ihm selbst ein Erkenntnismittel.
Der Biographismus als Methode - in der schlechten geisteswissenschaftlichen
Tradition des 19. Jahrhunderts - löst die Person gerade aus diesem
Zusammenhang kritischer Theoriebildung und bringt Person und Theorie
in einen Gegensatz. Der politisch willkommenen biographischen Nekrophilie
entspricht die Abwertung der Theorie. Zu einer fruchtbaren, produktiven
Form der Wieder- oder Neuaneignung kommt es nicht. Es gilt schon,
was Adorno als Erkenntnisprinzip formuliert hatte: wenn man im praktischen
Sinn der Gesellschaftsveränderung nichts will. erkennt man auch
nichts. |