Zitate von Ferrucio Rossi-Landi

(Milano, 1921 - Trieste, 1985)

Aus: "Über die Programme der nichtverbalen Kommunikation"
In: Semiotik, Ästhetik und Ideologie. 13 Beiträge.
München, Hanser 1976 (Orig. Semiotica e ideologia, Milano 1972):

Nichtverbale Kommunikation ist abhängig von einer gemeinsamen Verhatlensmorphologie, die für den Sender und den Empfänger der nichtverbalen Nachrichten dieselbe Bedeutung hat.

Wir verstehen uns, weil wir, ohne es zu wissen, stets nach Programmen handeln; unser ganzes Bemühen muß sich nun darauf richten, diese programme bewußt zu machen, um sie dann, wo immer es nötig ist, zu verändern.

Zu verstehen ist auch, daß die Beobachtung nichtverbaler Verhaltensformen lange auf fremde Gesellschaften beschränkt bleib. Wir sprechen hier von der verallgemeinernden Beobachtung, nicht von der individualisierenden in der Literatur. Die bürgerliche Gesellschaft hat sich das aufregende Vergnügen gegönnt, sich selber ausschnittsweise, in Form von Geschichten über Individuen zu beschreiben: Geschichten über "Persönlichkeiten", die zwar auch in ihrem nichtverbalen Verhalten studiert wurden, aber gerade als Persönlichkeiten stets bürgerliche Helden blieben - eben Individuen, die sich jeder wissenschaftlichen Verallgemeinerung entziehen. So bleib die Verallgemeinerung anderen vorbehalten. Wir wurden immer detaillierter über die im Verhalten der Primitiven erkennbaren Schemata aufgeklärt, lange bevor sich die Forschung denen zuwandte, die unser eigenes Verhalten steuern. Kein Wunder, ging es doch um allzu delikate Verfahren, als daß man sie gleich auf sich selbst hätte anwenden können, ohne sie vorher an anderen auszuprobieren.

Durch die fortschreitende Verlagerung der organischen Zusammensetzung des Kapitals hat sich, wie man weiß, der Wert der lebendigen Arbeit verringert; Modifikationen an den Produktionsprozessen sind immer teuerer geworden. Damit sind zugleich die Strukturen der nicht-menschlichen Dinge immer klarer hervorgetreten - und dies ist nur ein Verweis auf einen besonderen Aspekt der immensen technologischen Entwicklung unseres Jahrhunderts. Was aber vom konstanten Teil des Kapitals aufgesogen wird, ist niemand anders als der Mensch: Er ist zum bloßen Instrument in der Produktion geworden.

Folglich konnte es nicht ausbleiben, daß man den Menschen selber in den Begriffen der überpersönlichen Strukturen, deren Teil er ist, zu fassen begann. In diesem Sinne könnte man die These vertreten, daß die Erforschung der unbewußten Programme zur Steuerung des nichtverbalen Verhaltens erst möglich wurde, als sich der Neokapitalismus durchgesetzt hatte.

Selbstverständlich wird die Bedeutung immer erst durch den Kontext präzisiert: je geringer die Ambiguität des Kontextes einer gegebenen Sequenz von Verhaltenselementen, desto signifikanter wird die Sequenz. Redundanz verringert die Ambiguität.

Keine sich entfaltende Totalität ist isoliert, jede entfaltet sich zusammen mit anderen Totalitäten auf derselben Ebene. All diese Totalitäten sind ihrerseits Teile größerer oder komplexerer Totalitäten. Folglich wird die Entwicklung einer gegebenen Totalität niemals allein durch das Spiel ihrer Teile bestimmt, sondern immer auch durch ihre eigene Funktion als Teil einer anderen Totalität.

Hier stellt sich die Frage, wer die Kontrolle der Verhaltensprogramme ausübt und zu welchem Zweck. Welche größeren Gesellschaftsgruppen und welche Werte der Kultur müssen gesichert werden? Und warum dieser Imperativ?

Denn es ist niemand anders als die herrschende Klasse, die sich die Kontrolle der Verhaltensprogramme "von einer höheren Ebene aus" anmaßt - und dies bestätigt erneut unsere Definition der herrschenden Klasse als derjenigen, die die Kontrolle über Emission und Zirkulation der konstitutiven verbalen und nichtverbalen Nachrichten einer gegebenen Gemeinschaft innehat. Ideologie ist gesellschaftliche Planung; herrschende Planung ist eben Planung der herrschenden Klasse.