Zitate von Günther Anders

(12.07.1902 Breslau - 17.12.1992 Wien)


Die drei Hauptthesen: daß wir der Perfektion unserer Produkte nicht gewachsen sind; daß wir mehr herstellen als vorstellen und verantworten können; und daß wir glauben, das, was wir können, auch zu dürfen, nein: zu sollen, nein: zu müssen - diese grei Grundthesen sind angesichts der im letzten Vierteljahrhundert offenbar gewordenen Umweltgefahren leider aktueller und brisanter als damals.
Nicht mehr restlos einverstanden bin ich dagegen mit der total pessimistischen Beurteilung der Massenmedien in dem Aufsatz "Die Welt als Phantom und Matrize". Obwohl meine damaligen Thesen - der Mesnch werde durch TV "passiviert" und zur systematischen Verwechslung von Sein und Schein "erzogen"; und die gesschichtlichen Ereignisse richteten sich bereits weitgehend nanch denn Erfordernissen des Fernsehens, die Welt werde also zum Abbild der Bilder - mehr zutreffen als damals; (...) trotzdem erfordern meine damaligen Thesen eine Ergänzung, und zwar eine ermutigende: Unterdessen hat sich nämllich herausgestellt, daß Fernsehbilder doch in gewissen Situationen die Wirklichkeit, deren wir sonst überhaupt nicht teilhaftig würden, ins Hausliefern und uns erschüttern und zu geschichtlich wichtigen Schritten motivieren können. Wahrgenommene Bilder sind zwar schlechter als wahrgenommene Realität, aber sie sind doch besser als nichts.
(Aus dem Vorwort zur 5. Auflage, 1979)
Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. 1. Band: Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution; 2. Band:Über die Zerstörung des Lebens im Zeitalter der dritten industriellen Revolution. München, Beck 1985 (7.unv. Auflage; Erstauflage 1956)

Die Gefahr der Verprovinzialisierung ist nicht geringer als die der falschen Globalisierung. Techniken zur Erweiterung unseres, weit über unsern sinnlichen Umkreis hinaus in Evidenz zu haltenden, moralischen Gegenwartshorizontes wären also durchaus erforderlich. Aber diese Erweiterung leistet das Fernsehen eben nicht. Vielmehr weicht sie usneren Horizont so vollständig auf, daß wir echte Gegenwart überhaupt nicht mehr kennen; und selbst dem Geschehen, das uns wirklich angehen sollte, nur noch jenes scheinbare Interesse entgegenbringen, das aufzubringen wir von den uns ins Haus gelieferten Scheingegenwarten gelernt haben.
Günther Anders: Die Antiquiertheit des Menschen. 1. Band: Über die Seele im Zeitalter der zweiten industriellen Revolution. München, Beck 1979:134