Haimo L. Handl
Netcult - Kolumne im COMPUTER JOURNAL # 3/2001
Zukunft mit IT-Spezialisten
Die Zukunft gheört den Spezialisten. Wir brauchen Spezialisten. Alle rufen danach. Sind IT-Spezialisten des Problems Lösung?
Leicht wird übersehen, dass die grossen Einbussen, die "Megaflops" nicht so sehr auf das Konto der IT-Spezialisten gingen, sondern dem obersten Management zuzuschreiben sind. Auch oder gerade in Ländern ohne IT- Fachkräftemangel ereigneten sich die grössten Verluste. Offensichtlich verbürgt die Qualität des IT-Personals keine entsprechende Managementqualität im Konzern. Daran sollte man denken, hört man die jammernden Forderungen nach spezieller, temporärer Arbeitsbewilligung für ausländische IT-Kräfte. Unabhängig von der politischen Fragwürdigkeit der Heranbildung einer neuen "Gastarbeiterschicht", die uns in Mitteleuropa ja seit den Sechzigerjahren eindrücklich bekannt sein sollte, scheint es ein irriges Wunschdenken und eine kurzsichtige Behandlungskur an Symptomen zu sein.
Natürlich brauchen wir, die Wirtschaft, die Verwaltung, die Industrie mehr und bestgeschulte Fachkräfte. Der gegenwärtige Mangel sollte etwas über die bisherigen Ausbildungsschritte und die generelle Bildungspolitik sagen. Hier mit ad hoc Massnahmen punkten zu wollen, ist fahrlässig vordergründig.
Zur Ausbildung, noch mehr zur "Bildung" (letztere ist immer mehr als erstere!), bedarf es eines kompetenten Lehrkörpers. Gerade im Bildungsbereich wollen unsere Politiker, in bornierter Orientierung auf das Nulldefizit, aber noch mehr sparen. Das widerspricht einer offenen Vorwärtsstrategie, das verhindert Innovation, das ändert nicht die Bildungsmisere, die wir in allen Schultypen und Bildungseinrichtungen feststellen müssen.
Gibt es nicht zu denken, dass Konzerne, die sich am harten Markt behaupten (wollen), ihre Fachkräfte, vor allem die des Managements, immer mehr in Bereichen schulen und "pflegen", die nicht direkt mit dem Business oder dem Expertenbereich zu tun haben? Begriffe wie "Unternehmenskultur", "Unternehmensphilosophie", "Ethik für Manager" und andere Sozialaspekte werden stärker beachtet. Man erkennt, dass man auch Spitzenkräfte nicht einfach wie Zitronen ausquetschen kann, weil sie dann vertrocknen. Es wird in Betracht und Rechnung gezogen, dass solche hochbezahlten Kräfte auch ein Privatleben haben, private Bedürfnisse, die sich negativ auswirken, wenn sie über Dauer missachtet werden.
Damit soll hingewiesen werden, dass Expertise und know how eines, Performanz durch die Person, den Menschen, ein anderes sind: es werden die besten Hardware-Einrichtungen und IT-Organisationen wenig nutzen, wenn die Kräfte aus anderen, als fachlichen Gründen, nicht leisten, was sie leisten könnten.
In Gesellschaften, in denen das Lesevermögen abnimmt, werden auch IT-Spezialisten keine gegenteilige Entwicklung fördern können. Aber ohne Lesevermögen keine Wissenschaft und keine Entwicklung.
In Gesellschaften, in denen das herkömmliche, obsolete Bereichsdenken gepflegt wird, anstatt das übergreifende Prozessdenken, werden die Potentiale von IT-Spezialisten konterkariert und desavouiert; von den gesellschaftlichen, politischen Problemen gar nicht zu sprechen, über die gegenwärtig ganz Europa sprechen muss, weil die Katastrophen keine "natürlichen", axiomatischen sind, sondern Resultate einer völlig verfehlten Politik mit entsprechendem Management.
Die Zukunft mit den IT-Spezialisten kann nur dann eine erfolgversprechende sein, wenn sie nicht nur oder ausschliesslich eine ist, die sich am und im IT-Bereich orientiert. Stärkere und bessere Ausbildung der Lehrer, der Fachkräfte, der Beschäftigten. Mehr Verantwortungsbewusstsein von allen Entscheidungsträgern (Managern) und eine langfristige Orientierung anstatt dümmlicher Ho-Ruck-Aktionen, das wäre etwas, das ich erwarte.
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