Haimo L. Handl

Netcult  -  Kolumne im COMPUTER JOURNAL  # 4/2001



Copyright Kills

Das Urheberrecht ist historisch gesehen jung. Vorläufer waren in Frankreich der propriété littéraire et artistique (1791) und in England der privilegierte "Erfinderschutz" (1709). In Deutschland folgte 1837 das erste moderne Urheberrechtsgesetz. Von Bedeutung ist weiters die Berner Übereinkunft von 1886. Die aktuelle Urheberrechtsgesetzgebung greift unter anderem zurück auf das Welturheberrechtsabkommen, das in Paris 1971 revidiert wurde sowie nachfolgende Verträge und Abkommen.

Das Urheberrecht entstand aus der Emanzipation des Individuums und der Auffassungen über den Rahmen seiner Verfügbarkeit sowie des Eigentumbegriffs. Grundsätze des Urheberrechts sind die Reglementierung und Sicherung geistigen Eigentums.

Neben den Begriffen der Person, des Eigentums sind bedeutsam die des Privaten und der Öffentlichkeit. Gemeinhin schützte das Urheberrecht die die Verwertung und dergleichen, gewährte bzw. sicherte aber Ausnahmen, insbesondere für den privaten Konsum. Diese Auffassung und Übung erlaubte die Einrichtung öffentlicher Bibliotheken und war damit bildungsfördernd.

Durch die neuen Technologien verzerrt sich das Konzept von "privat" und "Privatheit". Die Industrie sieht sich durch die technischen Reproduktionsmöglichkeiten und dem leichten, schnellen Verkehr von privaten Individuen in der Sicherung ihrer geistigen Eigentumsansprüche gefährdet. Es reichen nicht die Käufe von Produkten (man kauft ja nicht ein geistiges Eigentum, sondern den Träger, sei es das Buch, den Bild-Tongträger usw.), sondern man will Entgelte von auch privaten Transaktionen.

Wenn ich ein Buch kaufe und es meiner Tochter zum Lesen gebe, muss ich nirgends eine Gebühr zahlen. Ich habe das Buch ja erworben. Der Erwerb behindert nicht die Lektüre durch andere. Ich kann Bücher auch in der Bibliothek lesen. Die Regelung des sogenannten "Bibliotheksgroschen" ist noch ganz neu und widerspricht nicht grundsätzlich diesem Recht des freien Zugangs.

Wenn ich fotografiere oder Ton- oder Videoaufnahmen fertige, kann ich diese kopieren, so oft ich will. Es sind ja meine Kreationen (Produkte). Ich kann aber auch geschützte Inhalte aufzeichnen. Ich darf sie nur nicht gewerblich nutzen, also gewerblich be- und verarbeiten, verleihen, vermieten oder verkaufen.

Die Interessen der Industrie unterminieren gezielt den Begriff und das Konzept von Privatheit und privat, um ihre subjektiven Erwerbs- und Profitinteressen superior voran zu stellen. Viele Gesetzgeber folgen diesem Ansinnen, weshalb wir gegenwärtig in einer Krise sind, die noch lange nicht ausgestanden ist.

Eines ist klar: je strikter das Urheberrecht ausgeweitet und interpretiert wird, desto reduzierter der Zugang und freie Verkehr. Wir kommen in die absurde und paradoxe Situation, dass im Zeitalter schier grenzenloser Kommunikationsmöglichkeit die Profitgier der Industrie, einiger weniger Firmen, das Kommunikationsfeld und die Kommunikationsmöglichkeiten stärker einschränken, als sie es ohne die neuen Technologien waren.

Die Politik, zumindest in den für diesen Prozess massgebenden Ländern, scheint die kurzfristigen und kurzsichtigen Wirtschaftsinteressen höher zu bewerten als die Förderung freier Kommunikation, die Sicherung breiter Bildung, die Stabilisierung komplexer Kultivierung. Die bedingen nämlich breiten, offenen Verkehr, der nicht durch weitere Gebühren und Kontrollregeln be- oder verhindert wird.

Interessante Überlegungen zu diesem Problemkreis findet man von John Gilmore, Gründer der Electronic Frontier Foundation (EFF), in seinem Beitrag "Was falsch ist am Kopirschutz": http://www.toad.com/gnu/whatswrong.html