Robert Svobodas Arbeiten

Haimo L. Handl, 24.6.1992

Die Zeiten sind laut geworden und Krisen manifestieren sich vehementer. Auch in der Kunst. Gerade die Großspektakel stellen dies unter beweis. Eine Zirkusatmosphäre macht sich breit und vieles ruft Analogien zur Romantik und deren unheilvollen Verlangen nach Extraordinarität, Exotik hervor: es scheint, daß gegenwärtig, wie ehedem, der Alltag zu trist wird, die prefabrizierte Abwechslung untauglich, um das Sehnen nach der unerreichbaren Erfüllung zu stillen. Und wie schon früher, sehen viele wieder im Künstler den Auserwählten, den Begnadeten, den Hohenpriester, der alleine noch das Lied von Wahrheit und Authentizität anzustimmen vermag. Die Rollenzuweisung ist nicht neu, hat aber, den heutigen Bedingungen nach, gewichtigere Auswirkungen. Nicht zuletzt die Kunstolympiaschau documenta zeigt, wie sich die Krisen unserer Gesellschaften auch im Kunstbereich äußern, wenn dort auch aus der Not eine Tugend und Geschäft gemacht wird.

Dieses Umfeld ist nicht zu übersehen. Erst recht nicht, wenn man Arbeiten eines Künstlers betrachtet, näher auf sie eingeht, der nicht so bekannt ist, der nicht im Licht der Öffentlichkeit wirkt. Denn die Einflüsse erreichen auch jene, die am Rande arbeiten und leben, so, wie sie auch einige der Betrachter, Leser, Rezipienten, wenn nicht Käufer, erreichen. Ja, wären diese Einflüsse nicht generell, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, wäre von keiner Kulturwirkung zu sprechen. Deshalb scheint es mir auch wichtig, sensibel auf die spezifischen Kontexte zu achten, um Artefakte sich wahrnehmend anzueignen. Je genuiner der eigene Blick, das eigene Denken, desto tiefer, gravierender, wirkungsvoller die Erkenntnis, der "Gewinn". Der Verführung, sich allzuschnell allzuleicht gängiger Formeln und Kategorisierungen zu überlassen, welche uns von den Spitzen des Artbusiness offeriert werden (wobei diese Spitzen nicht identisch sein müssen mit den Künstlern!), kann eben nur um den Preis des Verlust sonst möglicher authentischer Genuinität eigener Kommunikation nachgegeben werden.

Hinsichtlich der österreichischen Malerei wird für die letzten 20 Jahre ein Widerstand gegen die "Medienkünstler" konstatiert, der sich in einer subjektiven, fast trotzigen Orientierung auf das Tafelbild und die Behandlung der eigenen Person, darin und daraus, äußerte. Einer der typischen Züge dieser "Epoche" war eine Betonung des Sinnlichen versus einer verachteten Intellektualisierung. Letztere überließ man anderen (postmodernen) "medialen" Künsten, als ob Malerei nicht "medial" vermittle...

Robert Svoboda arbeitet mit verschiedenen künstlerischen Mitteln. Weder in seiner Malerei, der Druckgrafik, noch im Bereich der Skulptur oder Objektkunst macht er sein Ego zum Inhalt der Betrachtung, ist nicht auf narzißtischem Trip, kuriert zumindest nicht vordergründig individuelle Probleme und belehrt auch nicht. Er malt als Auseinandersetzung mit den Realitäten, wobei das Resultat des Malakts den vorläufigen Endpunkt einer Reise, eines Wegbeschreitens, manchmal auch Weg-Gehens im Sinne von weggehen, darstellt, das in mehrfacher Hinsicht Botschaft gibt: eben von dieser Reise, vom Verlangen des Kreierens, des Schaffens, in die Welt setzen und damit positiv Platz nehmen in dieser Welt, von den Überraschungen und, ganz wichtig, vom Staunen. Es gibt nicht nur viel zu sehen, es gibt auch viel zu ersehen, erfinden. Die Imagination nicht als großer Weltentwurf, aber unendlich wichtig für alles, was über das Gegebene, das Gewöhnliche hinausweist, Fragen stellt, unmögliche Bilder vorhält, Positionen einnimmt und ausdrückt, ausspricht. Diese Positivität, welche sich ganz unprätentiös in Svobodas Arbeiten ausdrückt, ist es, welche mich so anspricht. Es ist nämlich nicht der untaugliche Versuch zu kaschieren, rosarot zu verkennen, sondern vielmehr die heitere Ernsthaftigkeit, welche deutlich macht, dass trotz allem dieses Schaffen nicht nur möglich, sondern auch sinnvoll ist.

Die letzten Arbeiten von Robert Svoboda stellen eine Verbindung der Leinwand mit anderen Materialien dar. Als ob ihm die Leinwand alleine nicht mehr genügte, aber die pure Skulptur doch zu weit auf der anderen Seite sei, so verbindet er zwei Elemente und mischt damit verschiedene Voraussetzungen, Bedingungen zu e i n e r Form, welche in s e i n e Botschaft gerinnt.

Seine Arbeiten evozieren nicht dunklen Symbolismus, aber auch nicht populäre Schnelldeutung. Sie laden ein, Farbcodes deutend aufzunehmen, ihre Einbindung mit dem rohen, alten Material zu interpretieren, das oft seine frühere Funktionalität nicht verleugnen kann und von daher Bedeutungsgehalte mitschleppt, welche manchmal mit der neuen Form in Wettstreit zu treten scheinen. Aus diesen Spannungen wächst nicht nur das Formgebilde, sondern speist sich auch eine gewisse Metaphorik, ein Ausblick im Ausdruck. Das Bescheiden mit Materialien wie Holz und Eisen, der damit fast in Widerspruch stehende Gebrauch pastellener, warmer und kalter Farbtöne, entwickelt eine Bildsprache, die subtil "mitteilt", zur Teilnahme (Kommunikation) einlädt. Die Verbindung einer alten Holztüre, dunkelbraun, mit einer blauen Leinwand, auf welcher ein blaues Tauch aufgesetzt ist, bricht in Farbe und Form, erzählt eine Geschichte. Das rostige Scharnier mit dem gelb bemalten Rest einer Türangel wirkt wie ein fremdes Zeichen, ein Rudiment vergangener Zeit, herübergerettet, neu in Beziehung gebracht; die neu gewonnene, geschaffene Einheit dieser unterschiedlichen Materialien, der Spurenreste und intendierten Akzentuierungen weist auf einen tagträumerischen, schon von der Farbe her positiven Ausblick: es ist nicht ein kaltes Blau, sondern eines der Öffnung: als ob das Auge des Betrachters das eigenartige Tor nur öffnen müsse, um in die Bläue, den Himmel zu treten.

Dies, der nächste Schritt, steht dem Betrachter an: sich auf die Teilnahme einlassen.