Eva Albrechts Shelter

Haimo L. Handl, 22.10.2002

Der Titel von Eva Albrechts neuen Arbeiten reizt unwillkürlich zur vertieften Interpretation, er evoziert Fragen. Natürlich wissen wir sofort die übliche Bedeutung des englischen Wortes "shelter": Schutz, Obdach bzw. schützen, Schutz suchen, Zuflucht gewähren. Die Bedeutungsfelder sind weiter, und die Etymologie macht den Bedeutungshintergrund klarer: Shelter kommt aus dem Middle English und ist eine abgewandelte Form von bodyguard, squadron, dem wiederum das angelsächsische sceld-truma, shield troop, unterliegt. Die Bedeutung liegt also ursprünglich im Kriegerischen und benennt die Verteidigung, den Schutz vor dem Angriff, der Gefahr. Nach und nach gesellten sich die weiteren Bedeutungsfelder hinzu: nicht nur Schutz vor brute force, sondern auch anderen Bedrängnissen oder Gefahren mit dem Verständnis von shelter als Ort oder Gegebenheit der Sicherheit, körperlich und seelisch: ein Ort oder Zustand der Ruhe.

Die von Eva Albrecht artikulierte Formensprache ist gerade darin beredt: Objekte und Verkörperungen, die die elementaren, für uns symbolhaften Zeichen aufweisen: Tor als Ein- und Aus- oder Durchgang, Höhle-Hütte-Haus, eben das shelter, Säulen, die wie exotische Raketen, die eigentlich Totempfähle sind, von unmöglichen Reichen künden, Grenzsteine als Markierungen in einer shelterless area.

Fremdartige Bauwerke, nicht Pyramide, nicht Babels Turm, aber auch nicht postmoderne Wolkenkratzerspielerei im Miniaturformat. Monumente mit erotischer Strahlkraft, die wie archeologische Funde einer längst vergangenen Zeit scheinen und künden. Sarkophage, die keinem Geschlecht, keinem Ritus zuzuordnen sind, dennoch als shelter die "letzte Ruhestätte" bilden, immer und überall.

Eva Albrechts Shelter-Arbeiten sind alle nicht glasierte Terrakotten in zwei hervorstechenden Formelementen: Quader und kantige Objekte hier, Säulen und weiche Rundkörper dort.

Die skulpturalen Keramiken von Eva Albrecht sind Kleinodien, die Fenster, Tür und Tor öffnen, ohne "geschwätzig" oder anmassend zu sein. Nicht falsch bedeutungsschwanger, sondern vieldeutig für den, der Formen und Zeichen zu lesen, zu dechiffrieren vermag.